Jaguarins Interview

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Jaguarin
Beiträge: 2976
Registriert: Do Jul 23, 2020 11:18 pm

Jaguarins Interview

Beitrag von Jaguarin »

Was ist passiert?
Sie haben mich missbraucht und misshandelt, geschlagen und bedroht.


Wie oft ist es passiert?
Das weiß ich nicht. Öfter.


Wie lange ist das her?
Angefangen hat es als ich sehr klein war. Aufgehört hat es vor ca. 30 Jahren.


Gibt/Gab es Zeugen?
Ja. Ich erinnere mich daran, dass meine Mutter es entdeckt hat und mit dem
Kommentar "ah ihr spielt" den Raum verlassen hat.


Mit wem hast du darüber gesprochen?
Inzwischen mit sehr vielen. Anfangs mit einer Frau bei einer Beratungsstelle,
dann in Internetforen mit anderen, so bin ich auch letztlich hier bei hab-keine-angst
gelandet. Später auch mit Freundinnen, dann mit meinen Tanten. Meinem jüngeren
Bruder habe ich einen Brief geschrieben. Und irgendwann viel später habe ich meinen
Eltern einen Brief geschrieben, in dem ich die Taten benannt habe.


War es hilfreich, darüber zu reden?
Ja, immer sehr. Ich habe sogar bei meinen Job-Bewerbungen meine ehrenamtliche
Tätigkeit für hab-keine-angst erwähnt (und auch meine eigene Betroffenheit). Da habe
ich immer nur positive Rückmeldungen bekommen.


Was hilft dir, dich besser zu fühlen?
Mich mit meinen Freundinnen oder meiner Patentante zu verbinden. Reden mit meinem
Mann oder manchmal auch Ablenkung, wenn die Gedanken zu aufdringlich sind.


Gelingt es dir, diese Hilfe auch zu nehmen?
Nicht immer. Manchmal wüsste ich, was gut wäre, aber schaffe es trotzdem nicht.
Ich versuche aber, diese Momente rasch zu überwinden. Es bringt nichts, mich in
den schlechten Gefühlen zu wälzen.


Wie geht es dir heute?
Diese Frage wird inzwischen nur noch sehr selten durch das Forenthema bestimmt.
Das Leben ist ein auf und ab. Ich versuche, es mutig und klug zu nehmen.


Wie hat sich dein Leben durch die Tat(en) verändert?
Es war ein schwerer und steiler Weg, den ich deswegen nehmen musste. Letzlich
habe ich viel geschafft. Aber ich kann nicht sagen, ob es mehr oder weniger gewesen
wäre, wenn mir das nicht passiert wäre.


Welche Auswirkungen hatten die Taten auf deine Gesundheit?
Ich denke, dass ich vor allem wegen der Taten heute so eine dicke Frau bin, dass
meine Gesundheit ernsthaft gefährdet bin. Natürlich habe ich dazu meinen Teil
beigetragen, aber ich finde es besonders schwierig, in der Trauma-Überwindung auch
noch an Gewichtsreduktion zu arbeiten.


Welche Auswirkungen hatten die Taten auf deine Freundschaften, dein
Verhältnis zu deiner Familie oder deine Beziehung?

Ich hatte sehr lange keinen Kontakt zu den meisten Menschen meiner Familie. Das
war schmerzhaft und traurig und ich hatte viel Angst, dass man mir nicht glauben
würde. Einige Freundschaften haben diese Zeit nicht überstanden. Andere sind aber
dadurch erst entstanden und dafür bin ich sehr dankbar. Inzwischen habe ich zu meiner
Familie wieder Kontakt. Bis auf zu meinem älteren Bruder. Und das ist ok.


Wie denkst du heute über die Welt? Wie hatte sich das nach den Taten verändert?
Ich hatte kein Leben ohne die Taten. Meine Welt ist, wie sie ist. Schrecklich und schön.
Beides gleichzeitig. Mal mehr das eine, mal mehr das andere.


Was hat dir Mut gemacht?
Soviele andere Frauen, die ihre Fortschritte und Erkenntnisse mit mir geteilt haben!


Was ist dir wichtig im Leben?
Wahrheit und Klarheit.


Was möchtest du gern noch erreichen?
Oh, ich bin ganz zufrieden mit dem, was ich erreicht habe. Schauen wir mal, was noch
kommt.


Wenn du Therapieerfahrungen gemacht hast, wie ging es dir damit?
Ich hatte einige fruchtlose Anläufe, letztlich hat sich die Therapie allerdings als meine
Rettung aus der Verzweiflung herausgestellt. Ich hatte sehr sehr gute Therapeutinnen
und ihnen verdanke ich meine heutige Kraft und Stabilität.


Wie hat sich die Aufarbeitung auf dein Leben ausgewirkt?
Teilweise hat es vieles erschwert, weil ich einiges nochmal durchleben und durchfühlen
musste, aber insgesamt hat es mir sehr viel geholfen.


Welches ist dein Lebensmotto?
Es ist kein Weg so steil, dass Liebe mich nicht treu begleitet. (Fernando Pessoa)


Was sollte sich deiner Meinung nach in der Gesellschaft ändern, damit Opfern besser geholfen ist?
Ich versuche selbst, diese Veränderung zu sein. Offenheit. Mitgefühl. Empörung. Argumente. Stärke.

Hast du Anzeige erstattet?
Nein.

Gab es eine Verhandlung?
Davor hatte ich immer große Angst.


Was wünscht du dir von deinen Helfern/ professionellen Helfern?
Dass sie sich themenspezifisch fortbilden und nicht herumexperimentieren.


Was möchtest Du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?
Bleibt stark. Kein Gefühl ist von Dauer!


Möchtest du, dass andere etwas zu deinem Interview sagen können?
Wäre ok für mich.

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Wolkenstern
Beiträge: 1467
Registriert: Fr Jul 24, 2020 5:09 pm

Re: Jaguarins Interview

Beitrag von Wolkenstern »

Hallo Jaguarin,

ich habe Dich gelesen.

Du bist eine starke Frau mit sehr viel Güte in Deinem Herzen.
Es ist so toll, dass Du so bist wie Du bist.

Viele Grüsse
Wölkchen

Regenbogen

Re: Jaguarins Interview

Beitrag von Regenbogen »

Es ist kein Weg so steil, dass Liebe mich nicht treu begleitet. (Fernando Pessoa)
Liebe Jagu,

ich wertschätze deine Treue zu deinem Lebensmotto und wünsche dir weiter Stärke,
Mut, Gelassenheit und Freude auf deinem Weg. Danke, dass du geschrieben hast.

Viele Grüße

Regenbogen

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