Susis Interview

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Susi
Beiträge: 1636
Registriert: Fr Jul 24, 2020 8:21 pm

Susis Interview

Beitrag von Susi »

Was ist passiert?
Gruppenvergewaltigung in meinem Laden


Wie oft ist es passiert?
Einmal - über ein paar Stunden


Wie lange ist das her?
round about 20 Jahre


Gibt/Gab es Zeugen?
zum Ende hin: einige


Mit wem hast du darüber gesprochen?
Am Anfang
- mit meinem Arzt
- mit meinem Anwalt
- mit der Frau vom Frauennotruf
- mit den Frauen in der Selbsthilfegruppe

später
mit allen möglichen Menschen, wenn es einen Grund gab oder sich angeboten hat.


War es hilfreich, darüber zu reden?
Zuerst eigentlich nicht wirklich. Es hat das ganze begreifbar gemacht und tat einfach nur weh.
Mit der Zeit immer mehr und später wieder weniger.


Was hilft dir, dich besser zu fühlen?
- malen, malen, malen oder schreiben, schreiben, schreiben
- spazieren gehen
- zu wissen, dass ich Hilfe einfordern und auch annehmen darf
- mein Mann - je nach dem mehr oder weniger
- das Wissen, dass ich nicht schuld bin


Gelingt es dir, diese Hilfe auch zu nehmen?
Das fällt mir nur dann leicht, wenn ich mir diese Hilfe alleine zukommen lassen kann.
Hilfe aus meinem (noch kleinen) Netzwerk nehme ich nicht so routiniert an, wie ich das gerne hätte.


Wie geht es dir heute?
Gut.
Im Grossen und Ganzen tangiert meine Geschichte meinen Alltag nur sehr wenig - oder ich
habe mich so sehr daran gewöhnt und nehme es nicht mehr als Belastung wahr.


Wie hat sich dein Leben durch die Tat(en) verändert?
Ich lebe viel mehr in der Situation oder im Moment. Es muss sich jetzt gut anfühlen (Kompromisse sind da schon möglich) und
nicht später vielleicht irgendwann. Irgendwann kann nämlich unter bestimmten Umständen einfach ausfallen.
Ich plane nicht mehr so weit in die Zukunft, zumindest nicht konkret.


Welche Auswirkungen hatten die Taten auf deine Gesundheit?
Rein medizinisch habe ich körperlich keine "Spätfolgen oder Auswirkungen".
Aber eine PTBS ist mir diagnostiziert worden und die darf ich (laut meinem Hausarzt) wohl auch noch eine Weile behalten.
Und meine Angst vor eben diesen Menschen - wie meinem Hausarzt oder was noch so an Medizinern rumläuft - die ist mir geblieben
und die darf ich (auch laut meinem Hausarzt) auch behalten.
Was man so lange hat, das bleibt - na das werden wir mal sehen, mit solchen pauschalen Geschenken bin ich nicht einverstanden! Echt nicht!



Welche Auswirkungen hatten die Taten auf deine Freundschaften, dein
Verhältnis zu deiner Familie oder deine Beziehung?

Nur meine direkte Familie (Mann, Kinder) wissen bescheid.
Freunde wissen je nach dem Bescheid oder eben auch nicht.

Freunde von früher sagen, dass ich mich kaum verändert habe.
Freunde von heute empfinden mich sicher immer mal als spleenig oder anstrengend.
Je mehr in groben Zügen bescheid wissen, umso entspannter können sie mit mir umgehen.


Wie denkst du heute über die Welt? Wie hatte sich das nach den Taten
verändert?

Das Leben ist schön!
Die Tat hat ja nicht die Welt verändert sondern nur mich - und das nur eingeschränkt.
Ich lebe gerne und nehme alles mit was mir gut tut.

Verändert hat sich meine Lebenssituation.
Ich habe fast alle Zukunftspläne, die ich damals hatte, aufgegeben.
Haus, Laden, Nebenjob, soziales Umfeld - das musste alles in dem Ort bleiben und ich musste gehen.

Aber es kam viel Neues und vor allem auch Schönes nach.
Ich glaube nicht, dass ich in meiner eigentlichen Lebensplanung glücklicher wäre als jetzt.


Was hat dir Mut gemacht?
Wirklich mutig war ich nie und bin ich nicht. Ich bin höchstens naiv.
Was ich mir bewahrt habe, ist das Vertrauen darauf, dass das Leben noch mehr parat hat.
Jeder Tag bringt irgendetwas schönes mit - man muss es nur sehen und annehmen.
Und das Vertrauen darauf, dass kein Gefühl ewig anhält.

Was ist dir wichtig im Leben?
Humor! Zeit! Gelassenheit!
Meine Familie und ich.
Das klingt blöd, aber ich bin mir sehr wichtig!

Danach kommen dann noch alle Menschen die ich gerne mag, vor allem das Theater.


Was möchtest du gern noch erreichen?
Erst mal möchte ich mindestens meine Diplomstufe absolvieren. Dann möchte ich - wenn es finanziell geht - noch die
Masterstufe machen und vielleicht kann ich dann im Institut Märchenarbeit machen.
Ich will noch ganz viele Märchen erzählen und ich möchte irgendwann so weit sein, dass ich ganz selbstverständlich für mich
einstehen kann - immer!


Wenn du Therapieerfahrungen gemacht hast, wie ging es dir damit?
Mal so mal so. Die allermeisten Therapie-Versuche waren eher fruchtlos.
Irgendwann habe ich dann doch noch einen tollen Therapeuten kennen gelernt.
Inzwischen arbeite ich nur noch mit coaching.


Wie hat sich die Aufarbeitung auf dein Leben ausgewirkt?
Ich plane nicht mehr so weit in die Zukunft und versuche immer alles daran zu setzen jetzt glücklich oder zumindest
zufrieden zu sein. Was später ist, das wird sich zeigen. Allzu weit plane ich nicht.
Träume für später darf ich trotzdem haben, ob sie sich erfüllen - mal schaun.


Welches ist dein Lebensmotto?

Wenn ich es mir vorstellen kann
und wenn ich es fühlen kann
dann kann ich es auch erreichen.

......

Immer wenn wir laut lachen stirbt irgendwo ein Problem.


Was sollte sich deiner Meinung nach in der Gesellschaft ändern, damit Opfern besser geholfen ist?
Es darf kein Tabu bleiben!
Vor allem weil so viel MB innerhalb von Familien und Verwandtenkreis passieren muss dieses "Es kann nicht sein was nicht sein darf!" endlich verschwinden.

Und vor allem muss es endlich aufhören, dass den Opfer ganz schnell eine Mitschuld gegeben wird: Egal was das Opfer anhatte oder wie es aufgetreten ist - es hat keine Schuld!

Und was auch verschwinden muss: "Jetzt ist es aber mal wieder gut!".
Das klingt in der Theorie - und auch in Büchern - ganz prima. Und wenn es da klappt, dann soll sie sich doch mal nicht so anstellen.
Das ist im richtigen Leben aber nicht so.
Jede-r Betroffene braucht ganz unterschiedlich lange bis das Leben wieder lebenswert ist.
Und auch wenn das dann endlich irgendwann so weit ist - irgendwas bleibt immer zurück.


Hast du Anzeige erstattet?
Ja


Gab es eine Verhandlung?
Ja


Wie sollte sich das Rechtssystem verändern, damit Opfern besser geholfen wird?
Es muss sich dringend ändern, dass die Täter besser geschützt werden als die Opfer.
Und es muss sich genauso dringend ändern, dass die Täter nach einem Prozess jede Hilfe bekommen, die sie nur brauchen könnten und
das Opfer im besten Fall mit einem "Sieg" nach Hause gehen müssen und sich weitgehend selber überlassen werden.
Viele Konsequenzen der Opfer bleiben gänzlich ungeachtet: Spätfolgen, Einschränkungen die es zum Teil ein Leben lang begleiten, finanzielle Einbussen - damit verbunden sind Nachteile im gesellschaftlichen Leben, der Weiterbildung,....


Was wünscht du dir von deinen Helfern/ professionellen Helfern?
Ich wünsche mir von meinen Helfern mehr Mut und Gelassenheit: Wir sind ganz tolle Menschen, auch wenn wir
immer mal auffällig und wenig kooperativ sind. Humor wäre oft angebrachter als Ungeduld. Vor allem
professionelle Helfer sollten eine Runde mehr Humor mitbringen und nicht so gehemmt im Umgang mit mir sein.
Entsprechende Weiterbildung würde ggf. auch helfen.


Was möchtest Du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?
- Nehmt jede Hilfe an, die ihr bekommen könnt - und wenn es nur das ist, dass Euch jemand ein Essen kocht.
- Euch trifft keine Schuld!
- Ihr dürft Euer Umfeld auch mal fordern. Man kann ihnen mehr zumuten und zutrauen als wir alle denken.


Möchtest du, dass andere etwas zu deinem Interview sagen können?
Wenn jemand was dazu hier lassen möchte, dann ist das für mich in Ordnung.

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Jaguarin
Beiträge: 2976
Registriert: Do Jul 23, 2020 11:18 pm

Re: Susis Interview

Beitrag von Jaguarin »

Hai Susi,

danke für dein Interview.

Ich finde das gar nicht blöd, dass du dir wichtig bist. Ist doch ein
Schmarrn, dass man das nicht sollte.

Ich staune immer wieder über deine Kräfte und Talente. Und ich liebe
deine Märchen. Ich hoffe, ich kann noch ein paar davon hören.

Liebe Grüße
Jaguarin

Regenbogen

Re: Susis Interview

Beitrag von Regenbogen »

Hallo Susi,

wenn man sich auf herzliche Art wichtig nimmt, öffnet sich das Herz und dann
scheint das Licht auch für andere mit. Macht man das nicht, fällt der Schatten
auch auf andere und auch wenn das niemand annehmen muss, hat es doch
einen Einfluss.

Schön, dass Du hier bist. Und leuchtest.

Viele liebe Grüße Regenbogen

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